80 Jahre Bäckerschule in Weinheim

Erinnerungstag: 8. Dezember 1938

Das „Waldschlößchen“ 1938
Das „Waldschlößchen“ 1938 als „Bäckerfachschule für Südwestdeutschland“. Bild: Stadtarchiv Weinheim.

von Heinz Keller

Weinheim. Am 8. Dezember 1938, heute vor 80 Jahren, wurde in Anwesenheit des badischen Ministerpräsidenten Walter Köhler und von Reichsinnungsmeister Karl Grüßer (Berlin) die „Bäckerfachschule für Südwestdeutschland” eröffnet. Als Meisterschule für Bäcker aus Baden, Württemberg, der Saarpfalz und aus dem südlichen Teil von Hessen war sie der südwestdeutsche Beitrag zum Ziel des Reichsinnungsverbandes des Deutschen Bäckerhandwerks, „das gesamte Reichsgebiet zwischen Königsberg und Passau” mit weiterbildenden Schulen zu überziehen. Die neue Fachschule entstand in Weinheim auf Anregung des Weinheimer Bäckermeisters und badischen Innungsmeisters Heinrich Pfliegensdörfer am Ostrand der Stadt auf dem Gelände einer alten Ziegelei und auf den Mauern des 1904 errichteten Ausflugslokals „Waldschlößchen”.

1937 hatte die Stadt das beliebte, aber eher bescheidene Lokal für 24.000 RM erworben und es dem Reichsinnungsverband zur Errichtung einer Fachschule zur Verfügung gestellt. Der Umbau und Ausbau zu einem durchgängig dreistöckigen Gebäude wurde aus der Stadtkasse finanziert. Für die Einrichtung sorgte dann der Reichsinnungs-verband.

Der neuen Fachschule, der ein Erholungsheim für ältere Bäcker-meister und ihre Frauen angegliedert war, blieb nur eine kurze Zeit der friedlichen Arbeit. Nach den schweren Bombenangriffen auf Mannheim wurde das „Waldschloss”, wie das zu einem kleinen Landhotel erweiterte Gebäude nun hieß, 1944 Ausweichkrankenhaus für die Schwerstkranken des Städtischen Krankenhauses Mannheim, der Schießstand am Waldrand zum Totenhaus.

Erst am 1. November 1948 konnte der Schulbetrieb wieder aufgenommen werden, nun in der Trägerschaft des Badischen Bäckerinnungsverbandes. 1953 übernahm der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks, der bis 1952 seinen Sitz in Weinheim hatte, das Anwesen und ließ Gasthaus und Schule umgestalten. 1960 wurde der Name der Einrichtung in „Fachschule Weinheim des Deutschen Bäckerhandwerks” geändert, ab 1969 hieß sie „Bundesfachschule des deutschen Bäckerhandwerks”, seit 2008 „Akademie Deutsches Bäckerhandwerk” oder einfach „Bäckerakademie Weinheim”. Hotel und Restaurant sind seitdem nur noch für Teilnehmer an den Meisterkursen und Seminaren zugänglich. Fast 100 gastliche Jahre mit populären Wirten von Jakob Hohenadel über Ferdinand Jöst bis zu Reinhold Ebert wurden Geschichte.

Das alte „Waldschlößchen” hat auch in der Geschichte der Weinheimer Vereine seinen Platz. Das schlichte Gebäude wurde 1904 errichtet, als es im Gorxheimer Tal nur einzelne Häuser gab, denn das Turnerbad und der Waldspielplatz entstanden erst zehn Jahre später. Als sich 1908 die Turner-Einheit als vierter Turnverein nach TV 1862, TG „Jahn” 1878 und Freier Turnerschaft 1902 gründete, wählte sie das „Waldschlößchen” zum Vereinslokal. Bis 1920 wurde sonntags und an schönen Sommerabenden auf dem kleinen Turnplatz beim „Waldschlößchen” fleißig geübt, dann wechselte die Turner-Einheit in die „Burg Windeck” und schloss sich 1921 mit der Freien Turnerschaft zusammen, nun im Rahmen der Arbeiter-Turn- und Sportbewegung. Sie wurde damit zur Gründergemeinschaft des heutigen Turn- und Sportvereins Einheit 02 Weinheim