1949: Erste Bundestagswahl und erste „Weinheimer Woche” nach dem Krieg

Man spürte wieder Boden unter den Füßen

Collage mit Eindrücken der Stände auf der Weinheimer Woche 1949.
Die erste „Weinheimer Woche” nach dem Zweiten Weltkrieg fand im August 1949 in der Turnhalle und im Hof des Realgymnasiums statt, außerdem im Bürgerpark. Sie hatte 35.000 Besucher. Bild: WN-Archiv

von Heinz Keller

Weinheim. Am 14. August 1949 wählten die Länder der Westzonen den ersten Deutschen Bundestag und unter den 402 Abgeordneten des frei gewählten Parlaments war der Weinheimer Richard Freudenberg einer der wenigen Parteilosen. Im Wahlkreis 18 des Landes Württemberg-Baden in der amerikanisch besetzten Zone , der dem Landkreis Mannheim entsprach, wurde Freudenberg mit über 12.000 Stimmen Vorsprung vor dem CDU-Kandidaten Josef Braun, dem ersten Mannheimer Oberbürgermeister nach dem 2. Weltkrieg, direkt in den Bundestag gewählt.

Richard Freudenberg gehörte am 12. November der Bundesversammlung an, die Theodor Heuss zum ersten Bundespräsidenten wählte, wie übrigens auch der Weinheimer CDU-Landtagsabgeordnete Wilhelm Brück.

Wieder „Weinheimer Woche”

Der Wahlsonntag war zugleich der erste Sonntag der „Weinheimer Woche”, die vom 12. bis 21. August 1949 stattfand und an zehn Ausstellungstagen 35.000 Besucher anzog. Zwei Tage vor dem Wahlsonntag war die Woche „zur Repräsentation, zur Förderung und Erhöhung des Umsatzes und zur Dokumentation des Lebenswillens und der Leistungskraft” eröffnet worden. Die sechs Wochen zuvor, am 1. Juli 1949, wiedererstandenen „Weinheimer Nachrichten” stellten den 150 Ausstellern ein bemerkenswertes Zeugnis aus: Sie gäben, meinte Chefredakteur Dr. Fritz Hammes, „ein vorzügliches Bild von der Leistungsfähigkeit der Weinheimer Wirtschaft im weitesten Sinne: die Industrie, das Gewerbe, das Handwerk und der Einzelhandel wetteifern darin, den Besucher zu überzeugen, dass Weinheim die Einkaufszentrale für den alten Amtsbezirk Weinheim und den vorderen Odenwald ist”.

Die „Weinheimer Woche” 1949 fand traditionell in den Gebäuden und auf dem Schulhof des Realgymnasiums (heute Werner-Heisenberg-Gymnasium) statt, außerdem mit einer Weinhalle, einer Bierhalle und einem Kaffeezelt im Bürgerpark. Sie trug den Titel „Ausstellung für Kultur und Wirtschaft” und hatte ihre besonderen Attraktionen in Sonderschauen wie „Das schöne alte Buch aus Weinheimer Stadt- und Privatbesitz” mit den fünf Druckwerken aus der kurzzeitigen Verlegung der Heidelberger Universitätsdruckerei Johann Mayer nach Weinheim (1698-1700) sowie „Alte Buchbinderwerkstatt”. Daneben gab es Obst- und Weinlehrschau, Tabakschau und Ausstellungen über Gartenbau und Landwirtschaft, Landwirtschaftliche Maschinen und Fahrzeuge.

Sonderbriefmarke mit Sonderstempel zur 1. „Weinheimer Woche“ nach dem 2. Weltkrieg
Anlässlich des 200. Geburtstags von Johann Wolfgang von Goethe gab die Deutsche Post 1949 eine Sonderbriefmarke heraus. Ein Sonderstempel zur 1. „Weinheimer Woche“ nach dem 2. Weltkrieg machte sie (mit der damaligen Postleitzahl 17a) besonders wertvoll.

Beweis der Schaffenskraft

Richard Freudenberg wünschte bei der Eröffnung, die Ausstellung möge dazu beitragen, unserer Heimat Arbeit zu geben, und Schreiner-Obermeister Martin Eidt erklärte, nach dem Materialmangel der Kriegs- und Nachkriegszeit sei das Handwerk nun wieder leistungsfähig. Die Ausstellung empfand sich denn auch „als Bestätigung der Schaffenskraft des deutschen Volkes”, denn ein gutes Jahr zuvor hatten die Menschen noch vor leeren Fenstern und Werkstätten gestanden. Die „Weinheimer Woche” lieferte den Beweis, dass man wieder Boden unter den Füßen gewonnen hatte und dass es unter Anspannung aller Kräfte einen, wenn auch langsamen Weg aus Not und Zusammenbruch gab.

Zucker-Sonderzuteilung

Die Schatten der entbehrungsreichen Nachkriegsjahre lagen allerdings auch noch über dieser optimistischen Veranstaltung: „Mit Rücksicht auf die Einmachzeit erhalten Vollselbstversorger als einmalige Zuteilung zusätzlich 500 Gramm Zucker. Die Ausgabe erfolgt auf den Sonderabschnitt L 608 der Lebensmittelkarten 41 und 44 für den Monat August. Die Ausgabe von Vollmilch an heimkehrende Kriegsgefangene wird bis 31. Dezember verlängert”, berichteten die „Weinheimer Nachrichten”.

Pfirrmanns Turniersieg

Das Weinheimer Tanzlehrer-Ehepaar Elfriede und Ludwig Pfirrmann gewann im Saalbau „Pfälzer Hof”, der heutigen Stadthalle, den „Großen Preis der Weinheimer Woche” bei einem Berufstanzturnier der Internationalen Tanzturnier-Liga, das mit einem großen Amateur-Tanzturnier und Gesellschaftstanz verbunden war. Und auch die Weinheimer ließen sich gern zum Kerwe- und „Weinheimer Woche”-Tanz einladen. Im Schlossparkacfé spielte Hans Georg Gaebler mit seinem Ensemble, in der „Deutschen Eiche” das N.D.-Ensemble, im „Pfälzer Hof” und im „Goldenen Schaf” die Kapelle Herres, in der „Burg Windeck” die Kapelle Fritz Metz, im Bienhaussaal die Kapelle Gräber, im „Storchen” die Kapelle Braun.

FCK an der Naturin

Sportlich gab’s neben den Luftsensationen der Camilla-Mayer-Truppe über dem Schlosspark und dem Kistelrennen auf der alten Wachenberg-Rennstrecke einiges zu feiern: Ernst Köhler errang seinen zweiten deutschen Meistertitel im Gewichtheben, der Kegelclub „Jung Siegfried” wurde Clubmeister bei den Deutschen Meisterschaften im Sportkegeln, die Weinheimer Polizeibeamten Franz Eschwei, Hans Fischer, Nikolaus König und Georg Böhler siegten bei den Polizei-Meisterschaften und an der Naturin gastierte der spätere Deutsche Fußballmeister 1. FC Kaiserslautern mit den Brüdern Walter und Liebrich, Basler, Kohlmeyer und Gawliczek.