Seit 1969: Main-Neckar-Schnellweg zwischen Darmstadt und Weinheim

Hauptschlagader im Nord-Süd-Verkehr

Das erste Straßenschild (Entfernungstabelle) wird enthüllt.
Bundesverkehrsminister Georg Leber enthüllt das erste Straßenschild am neuen Main-Neckar-Schnellweg. Bild: WN-Archiv

von Heinz Keller

Weinheim. „Die Bergstraßenlinie wird einmal eine Hauptschlagader des deutschen Verkehrs sein“, prophezeite der hessische Wirtschafts- und Verkehrsminister Rudi Arndt am 23. August 1968, heute vor 50 Jahren, am Autobahnkreuz Darmstadt bei der Freigabe des ersten Teilabschnitts für den neuen Main-Neckar-Schnellweg. Und am Weinheimer Kleeblatt, dem damals so genannten Ende des 37 Kilometer langen Teilstücks der heutigen A 5, nannte Bundesverkehrsminister Georg Leber zwei Stunden später die neue Autobahn entlang der Bergstraße „eine große Verkehrsstraße in einer grandiosen Landschaft“. Die durchschnittliche Tagesbelastung mit 110.000 Fahrzeugen in Darmstadt und mit 72.000 Fahrzeugen in Weinheim bestätigt heute Arndts Vorhersage: die A 5 gehört zu den meistbefahrenen Straßen Deutschlands und ist unverzichtbar für den Nord-Süd-Verkehr in Deutschland und Europa. Aber natürlich hat das hohe Verkehrsaufkommen auch etwas mit der Schönheit der Bergstraßenlandschaft zu tun, die diesen Verkehrsweg rahmt.

1970 voll befahrbar

Die Freude über den neuen Autobahnabschnitt, der Deutschlands älteste, seit 1935 bestehende, aber auch gefürchtetste, weil am stärksten belastete und unfallreichste Autobahnstrecke von Frankfurt über Viernheim und Mannheim nach Heidelberg, die heutige A 67, entlasten sollte, war heute vor 50 Jahren in den Ansprachen am Darmstädter und am Weinheimer Kreuz nicht zu überhören. Aber auch nicht das Drängen auf rasche Fertigstellung des zweiten Teilabschnitts zwischen dem Weinheimer Kleeblatt und dem Heidelberger Kreuz, der der neuen Autobahn erst ihren entscheidenden Verkehrswert geben konnte. Lebers Darmstädter Zeitvorgabe „vor den Sommerferien 1970“ wurde eingehalten: Am 26. Juni 1970 wurde der Fernreiseverkehr nach Süden auf der Nord-Süd-Spur zwischen Weinheim und Heidelberg freigegeben, am 31. Juli 1970 stand der Main-Neckar-Schnellweg, die heutige Bundesautobahn 5, voll zur Verfügung.

Erste Gespräche 1956

Die neue Autobahn war für die Wirtschaftsräume Rhein-Main und Rhein-Neckar dringend notwendig, aber auch für die von Jahr zu Jahr wachsenden Touristenströme. Den neuen Aufgaben war die 1935 eröffnete, auf Pläne aus den 1920er Jahren für eine Autostraße Hansestädte-Frankfurt-Basel, kurz HaFraBa, zurückgehende „Reichsautobahn“ von Frankfurt nach Mannheim und Heidelberg, nicht mehr gewachsen. Die heutige A 67 war zu einem gefürchteten und unfallreichen Engpass im Nord-Süd-Verkehr geworden. 41.000 Fahrzeuge rollten im Durchschnitt täglich über diese Autobahnstrecke, in der Hauptreisezeit waren es sogar doppelt so viele. Deshalb begannen bereits 1956 erste Gespräche in Baden-Württemberg und Hessen über einen neuen Verkehrsweg zwischen der Autobahn Frankfurt-Heidelberg im Westen und der B 3 Darmstadt-Heidelberg im Osten. Man wurde sich schnell einig. 1965 begannen die Arbeiten für den ersten Teilabschnitt zwischen Darmstadt und Weinheim, 1966 war Baubeginn für den zweiten Teilabschnitt Weinheim-Heidelberg. Baurechtliche Schwierigkeiten behinderten, anders als in Hessen, die Vorarbeiten in Baden-Württemberg.

Regierungspräsident Dr. Munzinger am Weinheimer Kreuz. Bild: WN-Archiv

Fast 300 Millionen DM

Insgesamt wurden in Hessen 115 Millionen DM für den 28,8 km langen Autobahnabschnitt zwischen dem Darmstädter Kreuz und der Landesgrenze bei Laudenbach aufgewendet, in Baden-Württemberg 180 Millionen DM für den 24 km langen Teilabschnitt von der Landesgrenze bis Heidelberg. Der höhere Aufwand in Baden-Württemberg lag daran, dass hier 27 Bauwerke geschaffen werden mussten, darunter die 405 Meter lange Neckarbrücke bei Wieblingen mit allein 11 Millionen DM Baukosten. Außerdem waren die Bodenpreise in Baden-Württemberg erheblich höher als in Hessen.

Neue Knoten, neue Brücke

Zahlreiche Straßenbauten folgten dem Autobahnbau zu beiden Seiten des neuen Verkehrsweges. Dazu gehörten der Ausbau der Bundesstrasse 38 vom Weinheimer Kreuz nach Westen bis zum Viernheimer Kreuz – über die heutige A 659 wurde zwei Jahre lang der gesamte Nord-Süd-Verkehr vom Weinheimer Kreuz zur alten Autobahn geführt – und der Bau der neuen B-38-Trasse zwischen dem Weinheimer Kreuz und der Innenstadt. Damals entstand in Weinheim der Händelknoten, die neue Berliner Straße lenkte den Verkehr nach Süden durch die Mult zur Zeppelinbrücke ab, die alte Zeppelinbrücke wurde durch einen Neubau ersetzt, der Rosenbrunnenknoten entstand als neue Einmündung in die B 3. Neubauten aus jenen Tagen sind auch die Kreisstraße zwischen Lützelsachsen und Viernheim sowie die Autobahnanschlüsse Hemsbach, Großsachsen/Heddesheim und Schriesheim/Ladenburg.

In Weinheim verschwand die OEG-Haltestelle Gaswerk vom Rand der Mannheimer Straße und wurde abseits des Straßenverkehrs neu eingerichtet. Nimmt man den Ausbau der Birkenauertalstraße zwischen Petersbrücke und Fuchs’scher Mühle noch dazu, dann mag man ahnen, wie groß die Belastung der Verkehrsteilnehmer und der Anwohner in diesen Straßenbau-Jahren war.

Schwimmbagger holen Millionen Kubikmeter Sand zur Aufschüttung der Autobahndämme aus dem
alten Neckarbett: der Waidsee entsteht.  Bild: WN-Archiv

Gewerbegebiete, Naherholung

Der Main-Neckar-Schnellweg, vorübergehend A 81, dann endgültig A 5 genannt, hat den Wirtschaftsraum Bergstrasse erheblich gestärkt. Rund um die Ausfahrten entstanden neue Gewerbeansiedlungen und Wohngebiete und entlasteten die Innenstädte. Mit der Bergstraßenautobahn, die sich als landschaftlicher Begriff leider nie durchsetzte, ihren Straßenbauten und Dammschüttungen entstanden außerdem Naherholungsgebiete, auf die heute niemand mehr verzichten möchte: der Hemsbacher Wiesensee und der Weinheimer Waidsee sind eindrucksvolle Beispiele für die mit dem Autobahnbau gewachsene Anziehungskraft der Ballungsräume zwischen Main und Neckar.

Bis heute: lästiger Lärm

Die Freude an den Baggerseen haben die Autobahnnachbarn vor allem in der Weinheimer Weststadt teuer erkauft. Die Tag-und-Nacht-Arbeit der drei mächtigen Schwimmbagger im heutigen Waidsee raubte ihnen mit Lärmbelastungen zwischen 51 und 60 Dezibel monatelang die Nachtruhe. Als die Zwölfzylinder-Motoren der Schwerlaster endlich schwiegen, setzte der Verkehrslärm der nun fertig gestellten Autobahn ein. Ihm begegnete man zunächst mit einer Lärmdämmwand aus afrikanischem Bongossiholz. Mit steigendem Fahrzeugaufkommen und Schallwerten um 70 Dezibel wurde der Neubau einer längeren und höheren Lärmschutzwand notwendig. 1990 wurde sie mit einem Kostenaufwand von drei Millionen DM gebaut. Schnell wurde deutlich, dass sie um mehr als 120 Meter hätte verlängert werden müssen, um den lärmgeplagten Menschen am Friedrich-Ebert-Ring und auf der Ofling ruhigere Nächte zu bringen. Ein Erdwall als südliche Fortsetzung der Lärmschutzwand bis hin zur Kreisstraße Lützelsachen-Viernheim ist seit vielen Jahren ein Gesprächsthema wie eine neue Anschlussstelle Weinheim-Süd. Bisher ist es allerdings stets bei Gesprächen geblieben, die gleichermaßen Hoffnungen und Sorgen auslösten.