Allein unter Männern

Die ersten Politikerinnen

von Heinz Keller

In Weinheim fanden die ersten Kommunalwahlen mit weiblichen Wählern und weiblichen Kandidaten am 1. Juni 1919 statt. Wie viele erstmals wahlberechtigte Weinheimerinnen das neue Recht in Anspruch genommen haben, ist nicht überliefert. Ihre Anliegen wurden bis 1922 von drei politisch engagierten Frauen vertreten: für die Deutsche Demokratische Partei (DDP) zog die Ärztin und Karrillon-Nachfolgerin Dr. Victoria Kauert in die Stadtverordnetenversammlung ein, für die Deutschnationale Volkspartei (DNVP) die Lehrerin Emma Eyermann und für die SPD die Arbeiterin Sofie Fath. Die drei Frauen waren 1919 die einzigen weiblichen Kandidaten.

Emma Eyermann, Lehrerin an der Höheren Töchterschule und im Vorstand der Weinheimer Ortsgruppe des Badischen Verbandes für Frauenbestrebungen engagiert, wurde 1922 in eine zweite Legislaturperiode gewählt. Mit ihr gehörte die Pensionärin Berta Bräunig von der  Zentrumspartei dem  Stadtparlament an.

Am 14. November 1926 wurde Berta Bräunig erneut gewählt und mit Elsa Eyer, der Frau des legendären Hausmeisters der Diesterweg- und Pestalozzischule, Friedrich Eyer, verfügte nun auch die SPD wieder über eine weibliche Stimme. Nach den letzten freien Kommunalwahlen am 16. November 1930 gab es neben der Zentrumsfrau Eva Dallinger, Hauptlehrerin an der Volksschule, mit den Hausfrauen Magdalena Leidig und Emilie Rudolph erstmals kommunistische Frauen in der klar von Männern dominierten, 72 Mitglieder umfassenden Stadtverordnetenversammlung, die aus ihrer Mitte die zwölf Mitglieder des Gemeinderats wählte  und zusammen mit ihm den Bürgerausschuss bildete.

Im „Dritten Reich“ gab es keine Weiterentwicklung der weiblichen Emanzipation, denn die Nationalsozialisten sahen im Helfen, Dienen und Beschenken die ureigenste Bestimmung der Frau. Folglich bestand der Gemeinderat ab 1933 ausschließlich aus Männern, die ab 1935 auch nicht mehr von den Bürgern gewählt, sondern von der NSDAP berufen wurden.

Dem ersten Gemeinderat nach dem 2. Weltkrieg, 1947 gewählt, gehörte neben 29 Männern nur eine Frau an: Marianne Zaiser, geschäftsführende Gesellschafterin von 3 Glocken. Sie hatte auf der Liste der neuen Parteilosen Wählervereinigung (PWV) kandidiert. 1951 verzichtete Frau Zaiser-Rihm auf eine erneute Kandidatur.

Auch nach den Wahlen von 1951, 1954 und 1956, als stets die Hälfte der 30 Mandate neu besetzt wurde, gab es nur eine Frau im Männerparlament: Hauptlehrerin Lydia Burschel (PWV), einst im damaligen Kreis Weinheim der NSDAP Kreisfrauenschaftsleiterin. Erst 1956 brachte die SPD mit Hilde Hecht wieder eine Frau in den nun 24-köpfigen Gemeinderat, die CDU gar erst 1965 mit Lilly Pfrang. Der mit den beiden langjährigen Stadträtinnen erreichte Frauenanteil im Gemeinderat von 8,3 Prozent blieb auch 1972 bestehen, als nach der Gemeindereform Christa Bürger und Ingrid Stumpf, einzige Mandatsträgerinnen in den mit Weinheim verbundenen Gemeinden,  in die SPD-Fraktion delegiert wurden. Denn nach der Gemeindereform hatte der Gemeinderat 48 Mitglieder: 24 in Weinheim gewählte und 24 aus den Stadtteilen entsandte Stadträte.

1975 wurde der Gemeinderat für Weinheim und seine sechs neuen Stadtteile erstmals gewählt. Er hatte fortan 40 Mitglieder und unter ihnen waren acht Stadträtinnen, die den Frauenanteil auf 20 Prozent erhöhten. Mit dem Ergebnis der Kommunalwahl 1999 stieg er sogar auf 30 Prozent. Von den zwölf Stadträtinnen gehörten sechs der CDU an, drei der SPD, zwei der FWV und eine den Grünen. 53 Frauen hatten sich um ein Mandat beworben. Heute machen zehn Stadträtinnen 26 Prozent der 38 Mitglieder des Stadtparlaments aus.