Automobilgeschichte: Karl Weisbrod fuhr den ersten Benz in Weinheim

Heisels „Fafnir” und des Grafen „De Dietrich”

Benz-Motorwagen vor der „Fuchs’schen Mühle”
Aufnahme von Benz-Motorwagen vor der „Fuchs’schen Mühle“ (1901). Carl Benz hatte die Fahrer aufgefordert, die Sonntage für Probefahrten zu nutzen und im „Deutschen Kaiser“ oder in der „Fuchs’schen Mühle“ seine Gäste zu sein. Bild: Stadtarchiv Weinheim

von Heinz Keller

Weinheim. Der Weinheimer Automobilclub (WAC) feierte vor kurzem sein 95-jähriges Bestehen und ist längst mitten in den Überlegungen, wie man den 100. Geburtstag des Clubs in fünf Jahren am eindrucksvollsten begehen könnte. Eine Oldtimer-Rallye spielt dabei eine besondere Rolle (wir haben berichtet).

Anfangs hatte der Club allerdings mit Automobilen nichts zu tun. Er war eine Gemeinschaft von Motorradfahrern. In der Fuchs’schen Mühle schlossen sie sich 1924 zum „Motorsport-Club Weinheim” (MSC) zusammen und wählten Justizrat Georg Jakoby zu ihrem Vorsitzenden. „Der forsche Schorsch”, wie ihn seine Freunde seiner flotten Fahrweise wegen nannten, war ein auf vielen Auslandsfahrten bewährter Motorradfahrer, seit dem Gründungsjahr 1903 Mitglied der „Deutschen Motorradfahrer-Vereinigung“ (DMV) mit der Mitgliedsnummer 97. Als 1911 unter den 17.000 DMV-Mitgliedern schon 12.000 Wagenbesitzer waren, stimmte auch Jakoby der Umbenennung der DMV in „Allgemeiner Deutscher Automobilclub” zu.

In Weinheim gab es 1924 bereits um die hundert stolze Besitzer eines Automobils. Schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatte das Automobil in Weinheim seinen Einzug gehalten, damals Bezirksamtsstadt mit knapp 12.000 Einwohnern. Am 12. Mai 1901 meldete Karl Weisbrod, Mitbegründer der Gummiwarenfabrik Weisbrod & Seifert, der späteren Weinheimer Gummiwerke, beim Bezirksamt den ersten Personen-Kraftwagen in Weinheim an: einen 385 Kilo schweren, 3,5 PS starken Benz.

Das ließ Franz Josef Heisel, Mützenmacher aus Ludwigshafen, danach erfolgreicher Stock- und Schirmfabrikant in Berlin und seit zehn Jahren Besitzer des „Kurbrunnen Weinheim“, des Stahlbads, nicht ruhen: wenige Tage nach Weisbrod meldete Heisel einen 4-PS-Wagen, System Schwanemeyer-Aachen, an. „Fafnir”, wie der Drache aus der Nibelungensage, hießen die Aachener Automobile, obwohl Schwanemeyer erst 1912 sein Werk so nannte.

Beide Wagen waren eine Sensation im sonst eher ruhigen Weinheim und sie verbreiteten einige Unruhe im Bezirksamt. Denn die Behörde musste beim Straßen- und Wasserbauamt in Heidelberg die Genehmigung einholen, dass Weisbrod die Straßen benutzen durfte. Heisel brauchte sogar eine zusätzliche Erlaubnis, weil bis dahin nur Fahrzeuge von Benz das Fahrrecht auf den Straßen hatten.

An beiden Automobilen mussten übrigens der volle Name und der Wohnort des Besitzers angebracht werden.

Im September 1901 heulte dann im Schlosshof ein Motor auf, der alle bisherigen überdröhnte: Siegmund von Berckheim, vom badischen Großherzog gerade in den Grafenstand erhoben, hatte ein 9 PS starkes, von dem elsässischen Unternehmer (und Reichstagsabgeordneten) Eugène de Dietrich in Niederbronn entwickeltes Automobil erworben, dessen Gewicht der Graf bei der Anmeldung mit 11.000 Kilogramm bezeichnete. Die Furcht der Weinheimer Gendarmen vor diesem gewaltigen Ungetüm war allerdings unbegründet, denn denn bei der Gewichtsangabe des „De Dietrich” hatte von Berckheim eine Null zuviel geschrieben. Der Wagen wog nur 1.100 Kilogramm.

Im gleichen Jahr schloss übrigens Baron Eugène de Dietrich einen Lizenzvertrag mit dem jungen, gerade beim Grand Prix in Mailand erfolgreichen Ettore de Bugatti und beide begründeten damit die Marke „De Dietrich Bugatti”.

Der Benz-Festwagen des Dachdeckermeisters Wilhelm Brück

Legendär geworden ist der Benz-Festwagen des Dachdeckermeisters Wilhelm Brück, Weinheimer
Oberbürgermeister nach dem Zweiten Weltkrieg, zum Jubiläums-Sommertagszug 1927.
Bild: Stadtarchiv Weinheim

Die erste Automobilistin in Weinheim war Freifrau von Ketteler, geborene Wambolt von Umstadt. Sie fuhr einen 7 PS starken Benz „mit Rücklauf”. Da ihr der Wagen aber zu langsam war, verkaufte sie ihn an den rumänischen Ingenieur Andrescu, der bei der Weinheimer Maschinenfabrik Badenia beschäftigt war. Die Freifrau erwarb dann einen Wagen mit 24 PS.

Großsachsen hatte 1902 seinen ersten Automobilisten: Dr. Probeck fuhr einen Benz mit 3,5 PS und berichtete stolz, er bringe eine Maximalgeschwindigkeit von 30 km/h. 1903 kaufte sich der Heddesheimer Maschinenhändler Albert Schmidt einen 4 PS starken Benz.