Das kurze Leben der DJK Schwarz-Weiß

Plötzlich waren sie Staatsfeinde

von Heinz Keller

1923 gegründet, 1935 verboten, 1946 wiederbelebt für die neue TSG 1862 Weinheim – und dennoch weitgehend vergessen: die Deutsche Jugendkraft (DJK) Schwarz Weiß Weinheim. Der 150. Geburtstag der TSG 1862 holte 2012 die DJK-Geschichte kurzzeitig ins Bewusstsein zurück und erlaubte gleichzeitig einen Blick in eine Zeit, in der es über 200 Vereine in einem sehr viel kleineren Weinheim.

Auch im Sport engagierten sich, wie bei den Sängern, nach dem Ersten Weltkrieg so genannte bürgerliche Vereine neben sozialistisch oder konfessionell orientierten Gemeinschaften. Sie gehörten der Deutschen Turnerschaft und Fachverbänden wie dem Deutschen Fußballbund an, dem Arbeiter-Turn- und Sportbund, dem Evangelischen Sportverband Eichenkreuz oder dem Katholischen Sportverband Deutsche Jugendkraft.

DJK und Eichenkreuz

In Weinheim reagierten die Kirchengemeinden auf die starken Aktivitäten des Arbeitersports mit eigenen sportlichen Angeboten: 1923 wurde die Deutsche Jugendkraft Schwarz-Weiß gegründet, ab 1925 entwickelte sich im Christlichen Verein Junger Männer (CVJM) und in der Evangelischen Jugend die Eichenkreuz-Sportarbeit. Sie wurde reichsweit getragen vom „Eichenkreuz-Verband für Leibesübungen der Evangelischen Jungmännerbünde Deutschlands“.

Die DJK Schwarz-Weiß Weinheim war ein Ortsverein des DJK-Reichsverbandes für Leibesübung im katholischen Verein, dem 1932 255.000 ausschließlich männliche Mitglieder angehörten. In der DJK Weinheim trafen sich Handballer, Leichtathleten und Fußballer. Sie traten in eigenen Wettbewerben des DJK-Verbandes an. Die Handballer gehörten der höchsten regionalen DJK-Klasse an und spielten zunächst auf dem Sportplatz am Unteren Tafelacker. Das von Friedrich-Vogler-Straße und Jahnstraße (heute Brückstraße) begrenzte Gelände gehörte der Baugenossenschaft. Ihre Wohnbaupläne zwangen die DJK 1930, sich auf die Suche nach Gelände für einen neuen, eigenen Sportplatz zu machen.

Auf Platzsuche

Der Wunsch, das ehemalige Holzlager der in wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckenden Maschinenfabrik Badenia am Suezkanal zum Sportgelände umzugestalten, scheiterte an den städtischen Planungen für einen Sportplatz im Bereich von Stahlbadstraße (heute Mannheimer Straße) und Badeniastraße, den späteren Naturinsportplatz des FV 09 Weinheim, und dem (nicht verwirklichten) Projekt einer Sporthalle in der leer stehenden Badeniahalle II.

1930: DJK-Turnhalle

Hallensorgen hatte die DJK zu diesem Zeitpunkt nicht mehr, denn am 22. Juni 1930 war an der Stadtmühlgasse die DJK-Turnhalle ihrer Bestimmung übergeben worden. Dazu hatten die Mitglieder die alte, zum Ulner-Fonds gehörende Scheune umgebaut. Seit 1980 ist das Ballettstudio Kemen Mieter, seit 2008 Besitzer und Nutzer der völlig umgestalteten Halle.

Abschied vom Prankel

Auch 1931 suchte die DJK nach Sportplatzgelände. Auf dem Sportplatz im Prankel veranstaltete sie am 26. April 1931 noch einmal einen Werbetag, „um den katholischen Sportgedanken in der Bevölkerung zu wurzeln“.

Dann half die Katholische Kirchengemeinde ihren Sportlern, erwarb im Gewann Wormser Weg ein Grundstück und stellte es der DJK zur Anlage eines Turn- und Sportplatzes zur Verfügung. Das 12.000 qm große Gelände mit Spielfeld und Aschenbahn lag weit westlich der damaligen Wohnbaugrenze Fichtestraße in der Nachbarschaft der Dreschhalle Wäsch, heute westlich der Kolpingstraße und nahe der Westtangente.

Der neue Sportplatz

Am 12. Juni 1932 wurde der neue DJK-Sportplatz, von den Mitgliedern weitgehend in Eigenarbeit und unter großen privaten Opfern geschaffen, mit dem Turn- und Sportfest des DJK-Gaues Mannheim eingeweiht, dem damals 10.000 Mitglieder in 41 Vereinen angehörten. Der Fackelzug von der Windeck zum Marktplatz, der Festgottesdienst in St. Laurentius mit der Festpredigt des früheren Weinheimer DJK-Präses Kaplan Ackermann, der Festzug von 1.500 Wettkämpfern durch die Stadt zum neuen Platz und die Gauwettkämpfe waren die Höhepunkte der Platzweihe. Die Festleitung hatten DJK-Leiter Bernhard Jöst, Richard Lahres und Adam Klein.

Das zehnjährige Bestehen feierte die DJK am 21. Oktober 1934 mit Generalkommunion, einem Fußballspiel gegen den SV Schriesheim und dem Festabend im Bienhaussaal. Anton Ernst Graf von Neipperg (Schloss Schwaigern), Präsident des Deutschen Katholikentages 1930, hielt die Festansprache bei diesem letzten öffentlichen Auftritt der DJK Weinheim, die damals 170 Mitglieder hatte.

Verbot und Enteignung

1935 zogen dunkle Wolken auch über den konfessionellen Sportverbänden auf, nachdem die sozialistischen Sport-, Gesang- und Wohlfahrtsvereine schon 1933 verboten worden waren. Am 14. Juli 1935 wurde die DJK im Rahmen der Gleichschaltung aller gesellschaftlichen Organisationen durch die Nationalsozialisten reichsweit verboten, ihr Vermögen wurde eingezogen. In Weinheim beschlagnahmte die Gestapo am 24. Juli 1935 die Akten, so weit sie nicht zuvor hatten vernichtet werden können, zog das DJK-Vermögen ein und enteignete die Turnhalle, obwohl sie zum Ulner-Fonds gehörte und damit in kirchlichem Besitz war. Proteste des Stiftungsrats von St. Laurentius nützten nichts: die Turnhalle wurde den Gliederungen der NSDAP, Sportvereinen und der Polizei zur Verfügung gestellt.

Der Sportplatz an der Wormser Straße war zuvor schon einer landwirtschaftlichen Nutzung zugeführt worden. Der von seinem Arbeitgeber BBC aus politischen Gründen entlassene DJK-Leiter Bernhard Jöst machte ihn mit der Pflanzung Hunderter, zum Teil heute noch erhaltener Bäume zur Obstplantage. Damit entging das DJK-Gelände – im Gegensatz zu der Sportanlage des Freien Sportkartells im Birkenauer Tal (heute TuS-Platz) – der Beschlagnahme und Übertragung auf NS-Organisationen.

Den Schlusspunkt in der Auseinandersetzung mit der Katholischen Kirchengemeinde Weinheim setzte am 29. Juni 1938 der badische Innenminister Karl Pflaumer, SS-Brigadeführer und Reichstagsabgeordneter der NSDAP, mit der Verfügung: „… ziehe ich die Turnhalle, die zur Förderung der von der Deutschen Jugendkraft verfolgten staatsfeindlichen Bestrebungen gebraucht und bestimmt war, zu Gunsten des Landes Baden ein“. Am 1. Juli 1938 wurde im Grundbuch eingetragen: Bisheriger Eigentümer Ulner-Fonds. Neuer Eigentümer Landesfiskus.

Sportstätte, Frauenlager

Fortan stand die Halle in der Verwaltung der Stadt Weinheim und wurde zunächst von der Feuerwehr und dem Roten Kreuz zur Luftschutz-Schulung genutzt. 1939 kaufte die Stadt Weinheim die Turnhalle für 4.250 Reichsmark und stellte sie der Sportgruppe der Firma Carl Freudenberg, dem Weinheimer SS-Sturm, dem Jungvolk, der SA und der Freiwilligen Feuerwehr für Sport- und Schulungsarbeit zur Verfügung.

Als 1940 die Dahner Schuhfabrik Cronda im Druckhaus Diesbach (heute Gemeindehaus der Johannispfarrei) eine Niederlassung eröffnete, mietete sie die Turnhalle als Lagerraum für Leder. 1942 wurde die Halle als Unterkunft für Fliegergeschädigte und Ochdachlose eingerichtet und den Verdunkelungsvorschriften angepasst. In den letzten Kriegs-jahren waren hier russische Zwangsarbeiterinnen untergebracht.

Weitblick

Die Gründung der TSG 1862 Weinheim aus Turnverein 1862, Turngenossenschaft Jahn 1878 und DJK Schwarz-Weiß war 1946 eine Entscheidung für das Ende der Zersplitterung im Sport. Den Beitrag der DJK dazu vertraten ihr langjähriger Sprecher Bernhard Jöst, inzwischen Leiter der Stadtwerke Weinheim, und Adam Klein, der als 1. Schriftführer dem ersten TSG-Vorstand unter Dr. Theodor Frank angehörte. Jöst war bis 1964 Vorstandsmitglied und erwarb sich besondere Verdienste um das Turnerbad.

Die Turnhalle an der Stadtmühlgasse war bis 1950 die einzige Halle, die dem neuen Verein zur Verfügung stand, aber sie war oft zu klein für die 35 Turner und 32 Jugendturner, die damals die Turnstunde besuchten und Weinheim zu einer Hochburg des Kunstturnens machten. 1949 wurde die DJK-Halle an den Ulner-Fonds zurückerstattet, 1950 gab die amerikanische Besatzungsmacht die alte Benderhalle (heute Institutparkplatz) an die TSG 1862 zurück.