Heinrich Diesbach: Baumeister der DiesbachMedien

Portraitfoto Heinrich Diesbach
Heinrich Diesbach (Bild: WN-Archiv)

von Heinz Keller

Sein Lebenswerk wird alltäglich in Tausende Weinheimer, Bergsträßer und Odenwälder Briefkästen gesteckt: die „Weinheimer Nachrichten“ und die „Odenwälder Zeitung“. Die führenden Tageszeitungen im Weinheimer Wirtschaftsraum sind eine stete Erinnerung an den Zeitungsverleger Heinrich Diesbach (1921-2010), dessen Geburtstag sich heute zum 100. Mal jährt, aber auch an die lange Geschichte der 1863 von Großvater Wilhelm Diesbach (1837-1902) gegründeten Weinheimer Zeitung. Am 2. Mai 1863 erschien die erste Ausgabe des „Weinheimer Anzeiger“ und seitdem sind 158 Jahre vergangen, die die Verlegerdynastie Diesbach und ihre Unternehmen vor große Herausforderungen stellten.

Die Jubiläumsausgabe zum 125jährigen Bestehen der Weinheimer Zeitung stand 1988 unter dem Leitwort „Aus Tradition der Zukunft verpflichtet“. In dieser Formulierung spiegelt sich die Unternehmensphilosophie des heutigen Medienunternehmens Diesbach, das nach anderthalb Jahrhunderter wechselvoller, zeitweise existentieller Geschichte als unverzichtbarer Partner des informierten Bürgers seinen Auftrag als Informant und Mittler erfüllt. Mit Dr. Volker Diesbach und seinem Sohn Nicolas tragen inzwischen die vierte und die fünfte Generation die Verantwortung für Fortbestand und ständige Anpassung an die rasanten Veränderungen in der Medienlandschaft.

Neustart aus dem Nichts

Der Baumeister des heutigen Unternehmens DiesbachMedien ist Diplomkaufmann Heinrich Diesbach. Es ging 1985 aus dem Druck- und Verlagshaus Gebrüder Diesbach hervor, das der 24jährige Kriegsheimkehrer Heinrich Diesbach im Oktober 1945 zusammen mit seinem Bruder Hermann (1912-1960) gegründet hatte. Es war ein völliger Neustart aus dem Nichts, das Nationalsozialismus und Krieg hinterlassen hatten. Zwar gab es keine Anweisungen mehr vom Reichspropagandaministerium und von der Reichspressekammer, wie den Lesern der „Weinheimer Nachrichten“ die Weltlage und der Alltag erklärt werden sollten, vorbei waren auch die Einschränkungen und Einschüchterungen, die 1936 in der angeordneten Wiedervereinigung der seit 1924 getrennten Weinheimer Lokalzeitungen als „Weinheimer Nachrichten“, und 1943, angeblich „kriegsbedingt“, im völligen Erscheinungsverbot der WN zu Gunsten des Parteiorgans „Hakenkreuzbanner“ gipfelten.

Es war eine harte und entbehrungsreiche Zeit, in der sich Heinrich Diesbach mutig und entschlossen vornahm, an die alte Tradition des Hauses Diesbach anzuknüpfen. Fast täglich bemühte er sich im Gespräch mit Oberbürgermneister Wilhelm Brück, Landrat Karl Geppert und der Militärregierung um die Wiederzulassung der „Weinheimer Nachrichten“. Dem Lizenzierungsantrag wurde allerdings erst 1949 stattgegeben. Bis dahin blieb es bei der Herausgabe des Amtsblatts für den Nordbezirk des damaligen Landkreises Mannheim. Vor dem Druck der wöchentlich 39.000 Exemplare mussten die Seitenabzüge der amerikanischen Pressestelle zur Überprüfung vorgelegt werden.

Für die Besatzungsmacht wurden auf der alten Rotation und der etwas jüngeren Schnellpresse in der Friedrichstraße unter anderem das Buch „The Wingfoot“ (Die fliegenden Füße) als Kriegsdokument einer amerikanischen Einheit gedruckt, außerdem die Regimentszeitung „Trooper“ (Der Kavalllerist) für die in Weinheim stationierten Soldaten, schließlich die Divisionszeitung „The Railsplitter“ (Der Schienenspalter) für die Einheit, deren Symbol lange Jahre auf dem Wachenbergturm zu sehen war. Nicht ganz so angenehm war der Besatzungsmacht der Druck der „Stimme des Friedens“ für die Deutsche Friedensunion, einer Nachfolgeorganisation der verbotenen KPD.

Die WN sind wieder da!

Als die „Weinheimer Nachrichten“ am 1. Juli 1949 endlich wieder erscheinen konnten, war der Lesermarkt vergeben an die seit 1945 lizenzierte Rhein-Neckar-Zeitung und den seit 1946 erscheinenden Mannheimer Morgen. Und weil ab August 1949 noch die Badisch-Pfälzische Abendzeitung (AZ) um Leser warb, brauchten die „Weinheimer Nachrichten“ den Vorteil der Mittagsausgabe, um mit ihren Berichten über die Abendveranstaltungen unschlagbar aktuell zu sein. Was abends geschah, stand morgens in der Zeitung – eine gewaltige Aufgabe für die Redaktion um Dr. Fritz Hammes, Otto Stegner und Wilhelm Gärtner. Zur besseren redaktionellen Betreuung der Leser im östlichen Verbreitungsgebiet wurde ab Oktober 1949 die „Odenwälder Zeitung“ (OZ) mit Gustav K. Nimmerrichter als verantwortlichem Redakteur herausgegeben.

Als Diplomkaufmann schloss Heinrich Diesbach im Herbst 1951 sein Studium ab und arbeitete fortan wieder für das Druck- und Verlagshaus Gebrüder Diesbach, in dessen Geschäftsführung inzwischen auch der älteste Bruder Hugo (1910-1983) eingetreten war. Die „Weinheimer Nachrichten“ erwarben sich mit einer rasanten Auflagenentwicklung viel Respekt bei den Mitbewerbern und das brachte ihnen 1951 Kooperationsangebote anderer Verlage. Sie führten zur Gründung der Arbeitsgemeinschaft Nordbadischer Zeitungsverlage um den Mannheimer Morgen, in der Heinrich Diesbach nicht nur WN und OZ vertrat, sondern auch Wortführer der Kooperationsverlage Schwetzinger Zeitung, Heidelberger Tageblatt, Fränkische Nachrichten und Speyerer Tagespost wurde.

Doppelter Baumeister

Das Prädikat „Baumeister“ gilt indes für den mutigen Unternehmer Heinrich Diesbach gleich doppelt, denn er baute nicht nur ein modernes, immer zeitaktuelles Medienunternehmen auf, sondern veränderte auch das Druck- und das Verlagshaus an der Friedrichstraße: erst im Innern, dann auch nach außen. 1970 wurde die Straßenfront mit einem attraktiven Neubau zum heutigen Bild gestaltet, mit Erwerb und Umgestaltung des Nachbarhauses Dr. Haelsen erhielt die Redaktion ein eigenes Gebäude und am Ende der millionenschweren Bautätigkeit des um beste Arbeitsmöglichkeiten für seine Mitarbeiter bemühten Unternehmers, der vom Zukunftsbestand der Druckmedien überzeugt war, stand 2000 der Neubau des Druckhauses am nördlichen Stadtausgang, der an der Friedrichstraße Platz schuf für die Kulturbühne „Alte Druckerei“.

Nicht nur räumlich, sondern auch technisch sollten die Mitarbeiter die besten Voraussetzungen für ihre Arbeit haben. Das führte 1979 zur Umstellung der Satzherstellung vom Bleisatz zum rechnergesteuerten Lichtsatz. Diesbach führte als eines der ersten Unternehmen in der Region den Fotosatz ein und stellte gleichzeitig im Druckersaal vom traditionellen Hochdruckverfahren auf den modernen Offsetdruck um.

Mit den „Neuen Medien“

Natürlich gab sich Heinrich Diesbach mit den eigenen Reaktionen auf die ersten großen Veränderungen der Medienlandschaft in den ausgehenden siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts nicht zufrieden. Er lebte an der Spitze der 1985 nach dem Tod seiner Brüder und Mitgesellschafter Hermann und Hugo gegründeten DiesbachMedien vor, wie die publizistischen und ökonomischen Herausforderungen durch die „Neuen Medien“ angenommen und bestanden werden können. Wer in der sich ständig wandelnden Medienlandschaft dabei bleiben wollte, der musste Schritt halten mit der Entwicklung. Für Weinheim bedeutete das ein lokales Radio- und Fernsehprogramm, das sich stetig wachsender Beliebtheit erfreute, ehe der Landesgesetzgeber die Lokalsender 1994 zu größeren Einheiten zusammenschloss.

Spender und Sponsor

Mit dem Tag des Gedenkens an den Geburtstag von Heinrich Diesbach vor 100 Jahren werden freilich auch die Erinnerungen wach, die den 2010 Verstorbenen über sein unternehmerisches Wirken hinaus bekannt und bliebt machten. Er hat seiner Heimatstadt Weinheim, die er über alles liebte, die Bronzefiguren der Bas Greth und des Vetter Philp geschenkt und im Gerberbachviertel den Zeitungsbrunnen, er hat der Peterskirche eine Kopie des alten Kreuzes hinter dem Altar gestiftet und kulturelle Projekte unterstützt, die wie das Musical „Glasnost“ weit über Weinheim hinaus strahlten, er hat die Städtefreundschaft mit Cavaillon mitgetragen und wurde dafür in die Bruderschaft der Melonenritter aufgenommen, er war ein engagierter Förderer der Brauchtumspflege und suchte in vielen, auch außergewöhnlichen Sportarten einen Ausgleich zu seinem unternehmerischen Wirken, er liebte das Reisen und die Begegnung mit Fremdem, er war gern mit seinen Skifreunden unter den „Blütensängern“ zusammen und mit seinen Sportfreunden von der Riege Atemgold, er war der Klassik ebenso zugetan wie dem Jazz. Und er war, durch und durch, ein Charmeur, doch seine Partner wussten auch immer, was es bedeutete, wenn er lächelnd etwas bemängelte.

Vielfach geehrt

Die Stadt Weinheim hat Heinrich Diesbach mit der Bürgermedaille ausgezeichnet, das Land Baden-Württemberg bedankte sich mit der Landesehrennadel für seine Tätigkeit als ehrenamtlicher Richter am Mannheimer Arbeitsgericht und am Landesarbeitsgericht Stuttgart, der Deutsche Genossenschaftsverband würdigte seine langjährige Arbeit im Aufsichtsrat der Volksbank Weinheim mit der Ehrennadel, der Badische Genossenschaftsverband mit der Schulze-Deltzsch-Plakette, der Sängerkreis Weinheim verlieh seinem Förderer die Goldnadel und die Schubert-Plakette.

Es gibt viele Gründe, sich heute an einen Mann zu erinnern, der sich um Weinheim verdient gemacht hat.

 

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