1949: Neue Jugendherberge auf dem Judenbuckel

Die Jugendherberge auf dem Judenbuckel
Der Klinkerbau auf dem Judenbuckel wurde vor 70 Jahren als Weinheim erste „echte” Jugendherberge eröffnet. Bild: WN-Archiv

Ein Kraftakt für die wandernde Jugend

Weinheim. Als eine der ersten Städte Badens baute Weinheim nach dem Zweiten Weltkrieg eine Jugendherberge. Kurz nach der Währungs reform bedeutete das für die nicht gerade üppig ausgestattete Stadtkasse eine starke Belastung. Am 9. April 1949 wurde das von Paul Müller, dem örtlichen Repräsentanten des Deutschen Jugendherbergswerks (DJH), mit Nachdruck geforderte neue Haus auf dem Judenbuckel von Oberregierungsrat Franz Köbele, dem Vorsitzenden des DJH-Landes verbandes Baden, und Oberbürgermeister Rolf Engelbrecht seiner Bestimmung übergeben.

Dieser freudvolle Tag nach vielen trostlosen Tagen der entbehrungsreichen Nachkriegszeit hatte bereits eine kommunalpolitische Vorgeschichte. Denn schon kurz nach Kriegsende befasste sich der Gemeinderat mit dem Gedanken einer Jugendherbergsarbeit auf dem Judenbuckel. Am 4. September 1946 diskutierten die Stadträte den Wunsch der nach NS-Verbot gerade wiedergegründeten Ortsgruppe Weinheim des Touristenvereins „Die Naturfreunde“, das schon in den 1920-er Jahren zur Jugendherbergsarbeit genutzte, 1933 neu gestaltete, 1939 mit Rücksicht auf die „Örtliche Erholungsfürsorge“ geschlos sene Rasthaus auf dem Judenbuckel zu einer Jugendherberge auszubauen. Das Stadtbauamt wurde beauftragt, „die Unterkunftsfrage zu klären“, wie es im Ratsprotokoll heißt.

Bereits am 21. September 1946 lag dem Gemeinderat der Kostenvoranschlag für ein Projekt mit 18 Doppelbetten und Verwalter wohnung vor. Aus dem städtischen Haushalt sollten dafür 17.000 Reichsmark bereit gestellt werden, beschloss der Gemeinderat.

Es kam allerdings nicht zu einem Naturfreundehaus auf dem Judenbuckel, aber auch (noch) nicht zu einer Jugendherberge. Am 23. Juli 1947 beschäftigte sich das Stadtparlament mit dem Gesuch des Ortsverbandes Weinheim der Badischen Jugendherbergen um eine Spende. Die Bitte wurde „als gegenstandslos angesehen”, weil inzwischen die Entscheidung gefallen war, „dass die Stadt Weinheim die Kosten für den Bau einer neuen Jugendherberge auf dem Judenbuckel übernehmen wird”.

Knapp zwei Jahre später wanderten die ersten Herbergsbesucher den Geiersbergweg hinauf und viele folgten ihnen in den nächsten 25 Jahren, in denen sich das von Architekt Leopold Wenz in enger Zusammenarbeit mit Stadtbaumeister Paul Kleefoot geschaffene Haus auf dem Judenbuckel zu einem beliebten Wanderziel entwickelte. 7.000 Übernachtungen jährlich notierten die Herbergseltern Emil und Gertrud Seiderer bis zu ihrem altersbedingten Ausscheiden. Die Jugend herberge war mit 50 Betten von März bis November geöffnet, im Winter geschlossen.

In diesem damals noch unvollendeten Haus an der Einmündung der Rosenbrunnenstraße in die Prankelstraße sollte die neue Weinheimer Jugendherberge entstehen. Die Einstellung aller nicht kriegswichtigen Projekte machte im August 1940 allen Plänen ein Ende. (Bild: Stadtarchiv)

Als „Weinheimer Modell“ wurde 1975 der Neubau der heutigen Jugendherberge an der Breslauer Straße gefeiert: die Stadt stellte das Bau grundstück zur Verfügung, trug 1,1 Millionen DM zu den Baukosten bei und vorfinanzierte auch die vom Jugendherbergswerk aufzubring enden 1,4 Millionen DM. Besondere Anerkennung erfuhren Oberbürgermeister Gießelmann und der Gemeinderat bei der Einweihung am 12. Oktober 1975 vom baden-württembergischen Kultusminis ter Professor Wilhelm Hahn.

Das von den Architekten Jan und Waldemar Lippert geschaffene 129-Betten-Haus erlebte Jahre mit bis zu 20.000 Gästen. Rosemarie und Walter Locht leiteten die Weinheimer Jugendherberge von ihrer Eröffnung an und wurden inzwischen von Melitta und Andreas Pochmann abgelöst.

Gegenwärtig wird eine Sanierung und Erweiterung des 44 Jahre alten Gebäudes in Verbindung mit einer besonderen Ausrichtung auf Besucher mit körperlichen Einschränkungen diskutiert. Sollte das dann vor allem für Behinderten-Sportgruppen interessante Pro jekt, für das auch die Nähe der Sportstätten im Sepp-Herberger-Stadion und im neuen Weststadt-Schulzentrum sprechen, verwirklicht werden, hätte Weinheim die erste Inklusions-Herberge im Bund. Erste Pläne werden im Februar 2020 erwartet.