Das kurze Leben des Landkreises Mannheim

1939 gebildet, 1973 im Rhein-Neckar-Kreis aufgegangen

von Heinz Keller

Weinheim. Mit MA ließen sich so viele Worte formen: von MA XL und MA MA über MA US und MA IS bis MA RS und MA RX. Am Jahresende 1972 war das beliebte Spiel um ein originelles Autokennzeichen vorbei: der Landkreis Mannheim, der es ermöglicht hatte, wurde im Zuge der baden-württembergischen Kreisreform aufgelöst und Teil des neuen Rhein-Neckar-Kreises, dessen Kennzeichen HD nach dem Sitz der Kreisverwaltung in Heidelberg benannt wurde. Es ließ fast nur noch die Kombination HD UL zu – nach dem Weinheimer Schimpfwort Hadull.

Natürlich ist das nicht das Einzige, was einem einfällt, wenn man an den 80. Gründungstag des Landkreises Mannheim denkt. Am 24. Juni 1939 begann mit der Teilung des bisherigen Großkreises Mannheim und der Trennung von Stadt- und Landkreis die kurze Geschichte des Landkreises Mannheim, die nur 33 Jahre dauerte, aber streckenweise ganz eng mit der Weinheimer Stadtgeschichte verbunden ist. Nicht nur durch Richard Freudenberg, der von den Amerikanern 1945 als kommissarischer Landrat eingesetzt wurde, sondern auch durch seinen Amtsnachfolger Karl Geppert, der nach seiner Ausbombung in Mannheim in Weinheim wohnte.

Die Tatsache, dass Richard Freudenberg bereits mit der Bewältigung der riesigen Nachkriegsprobleme in seiner Vaterstadt Weinheim beauftragt war, mag die Besatzungsmacht dazu bewogen haben, die kriegsbedingt nach Schwetzingen ausgelagerte Kreisverwaltung im Mai 1945 nach Weinheim zu holen: zunächst ins 3. Stockwerk des Schlosses, in dem Freudenberg als kommissarischer Bürgermeister residierte, dann in die Gewerbeschule an der Bahnhofstraße, die heutige Uhlandschule.

Wie dem auch sei: in Weinheim wurden 19345 die sechsjährige Geschichte des Landkreises Mannheim im Nationalsozialismus beendet und der demokratische Neuaufbau gestartet. Es war, auch für die Amerikaner, eine unruhige Zeit: am 30. März 1945 wurde der bisherige Landrat Dr. Ludwig Vesenbeckh interniert und der Kreisbedienstete Karl August Niedermayer zum Landrat bestellt. Er wurde am 10. Mai von den Amerikanern entlassen und Richard Freudenberg wurde zum Landrat ernannt. Als er wegen seiner Tätigkeit bei der Deutschen Bank am 27. Mai 1945 amtsenthoben und verhaftet wurde, begann die kurze Amtszeit von Karl Geppert, zuvor Abteilungsleiter in der Kreisverwaltung. Am  4. März 1946 wurde auch er suspendiert. Zu seinem, immer noch kommissarischen Nachfolger ernannte  die Militärregierung den Schwetzinger Bürgermeister Dr. Valentin Gaa. Erster gewählter Landrat wurde am 1. September 1946 der frühere Friedrichsfelder Bürgermeister Ernst Becherer, der allerdings schon im April 1948 in den Ruhestand versetzt wurde. Sein gewählter Nachfolger wurde Dr. Valentin Gaa, der die Landkreis-Verwaltung gegen erbitterten Widerstand aus Weinheim 1951 wieder nach Mannheim  verlegte. Ihm folgte 1970 als letzter Mannheimer Landrat Albert Neckenauer, der den Landkreis Mannheim mit 207.000 Einwohnern in 27 Gemeinden in den neuen Rhein-Neckar-Kreis überführte und 1973 dessen erster gewählter Landrat wurde.

Der Landkreis Mannheim, in Weinheim bereits Träger von Kreispflegeheim, Gewerbe- und Handelsschule,  hat in seiner größten Kreisgemeinde sichtbare Spuren hinterlassen: den 1953/54 an der Weststraße errichteten Neubau für Handelsschule und Höhere Handelsschule (heute Adam-Karrillon-Haus), die 1957/58 an der Wormser Straße entstandenen Neubauten für Gewerbeschule und Hauswirtschaftliche Berufs-schule. Daraus entwickelte sich das heutige Berufsschulzentrum mit Hans-Freudenberg-Schule, Johann-Philipp-Reis-Schule und Helen-Keller-Schule. Auch an der Kreispflegeanstalt und vor allem auf den Kreisstraßen ist das Engagement des Landkreises Mannheim zu spüren.         

Dem ersten, am 28. April 1946 frei gewählten Kreistag gehörten unter 36 Kreisabgeordneten 14 aus Bergstraßengemeinden an: sieben für die CDU, fünf für die SPD und zwei für die KPD. Der letzte, am 24. Oktober 1971 gewählte Kreistag hatte 57 Mitglieder. Davon kamen elf Sozialdemokraten, acht Christdemokraten und fünf Freie Wähler von der Bergstraße.

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Wer gab in Weinheim den Ton an in den 1.264 Jahren seines urkundlich bekannten Bestehens?

Von seiner Ersterwähnung im Lorscher Codex 755 an gehörte Weinheim zum Kloster Lorsch, das zur Sicherung seiner Weinheimer Besitzungen die Burg Windeck erbaute. 1232 fiel das Kloster an Kurmainz, um 1250 legte der Pfalzgraf die Neustadt um den Marktplatz an und fortan stritten sich Kurmainz und Kurpfalz um Weinheim, das im Hemsbacher Schiedsspruch 1264 endgültig der Kurpfalz zugesprochen wurde. 1308 ging auch die Altstadt um die Peterskirche an die Pfalz.

Von 1314 bis 1345 war Weinheim an das Erzbistum Mainz verpfändet, doch ab 1368 gehörte Weinheim zum unabtrennbaren Kerngebiet der Kurpfalz und unterstand seit Ende des 14. Jahrhunderts dem Oberamt Heidelberg. 1454 wurden die bis dahin verwaltungsmäßig immer noch getrennten Gebiete der Altstadt und der Neustadt zu einer Stadt vereinigt.

1803 sorgten die territorialen Umwälzungen der napoleonischen Zeit dafür, dass aus der kleinen Markgrafschaft Baden ^803 ein Kurfürstentum und 1806 ein Großherzogtum wurde. Der enorme Gebietszuwachs war der Grund für eine lange Reihe von Verwaltungsreformen. 1809 wurde die Innere Verwaltung vierstufig aufgebaut: Gemeindeverwaltungen, Bezirks- und Stadtämter, Mittelbehören (Provinzen, später Kreise), Ministerien.

Die staatliche Unterstufe bildeten die Bezirksämter, die umfassende Zuständigkeiten hatten. Weinheim wurde 1803 Sitz eines Bezirksamtes, das neben der Stadt Weinheim die Gemeinden Großsachsen, Hemsbach, Hohensachsen, Laudenbach und Sulzbach umfasste, ab 1813 auch Lützelsachsen, Leutershausen und Ursenbach, ab 1829 Rippenweier, Ritschweier und Oberflockenbach mit Steinklingen, nach der Auflösung des Bezirksamtes Ladenburg 1863 auch Heddesheim und Straßenheim, das 1930 nach Mannheim eingemeindet wurde. Erster Oberamtmann wurde 1803 Franz Beinhorn, bis dahin kurpfälzischer Keller und Obereinnehmer in Weinheim. Er starb 1816 im Alter von 54 Jahren.

Die Zahl von ursprünglich 119 Ämtern in Baden wurde in den Jahrzehnten nach 1809 kontinuierlich reduziert. 1918 gab es noch 53 Ämter, 1924 nur noch 40, ab 1936 nur noch 27. Im Zuge der Neuordnung der Inneren Verwaltung wurde am 1. Oktober 1936 auch das Bezirksamt Weinheim aufgelöst und mit dem Bezirksamt Mannheim zum Großkreis Mannheim zusammengelegt, der mit der Landkreisordnung von 1939 wieder getrennt wurde. Dabei entstand der Landkreis Mannheim. Er wurde Landrat Dr. Ludwig Vesenbeckh unterstellt. Der letzte Leiter des Bezirksamtes Weinheim, bis 1924 Oberamtmann, danach Landrat genannt, Dr. Wilhelm Compter, wurde später Landrat in Mosbach und nach Kriegsende Bürgermeister in Pforzheim. Er kam 1966 bei einem Autounfall ums Leben.

Das letzte Reformwerk war 1973 die Kreisreform in Baden-Württemberg, die die Zahl der Landkreise auf 35 reduzierte. Unter den 16 in Baden liegenden neuen Landkreisen ist der Rhein-Neckar-Kreis aus den alten Landkreisen Mannheim und Heidelberg sowie Teilen des ehemaligen Landkreises Sinsheim. Größte Stadt im Rhein-Neckar-Kreis, einwohnerstätrkster Landkreis in Baden-Württemberg, ist Weinheim mit über 45.000 Einwohnern.