Seit 1946: Der Wahlkreis Weinheim bei Landtagswahlen

Jakob Hering
Jakob Hering. Bild: Stadtarchiv Weinheim.

von Heinz Keller

Alle Beiträge in diesem Zeitungsarchiv sind erstmals in den Weinheimer Nachrichten erschienen. Die Veröffentlichung auf der Internetseite des Weinheimer Museums erfolgt mit der Zustimmung der DiesbachMedien GmbH.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die alten Länder Baden und Württemberg in zwei Besatzungszonen aufgeteilt: die amerikanische im Norden, die französische im Süden. Es entstanden die Länder Württemberg-Baden, Württemberg-Hohenzollern und Baden. Für 20. Juni 1945 berief die amerikanische Militärregierung eine Konferenz der (von ihr eingesetzten) Landräte nach Murrhardt ein. Die Landkreise, Städte und Gemeinden waren in diesen unmittelbaren Nachkriegstagen die einzige staatliche Ebene, die noch halbwegs funktionierte. Die Landräte-Konferenz, an der zunächst nur die nordwürttembergischen, ab November 1945 dann auch die nordbadischen Landräte teilnahmen, markiert heute den Neuanfang des demokratisch-parlamentarischen Lebens im Nachkriegs-Deutschland.

Am 10. Januar 1946 ordnete die amerikanische Militärverwaltung die Einberufung einer Vorläufigen Volksversammlung an, die einen Verfassungsentwurf erarbeiten sollte. Ihre 124 Mitglieder wurden nicht gewählt, sondern von der Militärregierung ernannt. Sie kamen aus den Bereichen Politik,

Gewerkschaften, Industrie, Handwerk, Handel, Landwirtschaft, Hochschule und Kirche. Mitglieder aus Weinheim waren Landrat Karl Geppert für den Landkreis Mannheim, der damals seinen Sitz in Weinheim hatte, Stadtrat Jakob Hering als einer der zwölf Vertreter der SPD und Stadtrat Robert Klausmann als einer der ebenfalls zwölf Vertreter der KPD.

Erste freie Wahl

Die Vorläufige Volksvertretung war Vorläufer der Verfassunggebenden Landesversammlung, die am 30. Juni 1946 aus freier Wahl hervorging. Ihr gehörten Weinheims Bürgermeister Willhelm Brück (CDU) und Robert Klausmann (KPD) an, der allerdings inzwischen als Landesdirektor für Arbeit und Soziales nach Karlsruhe gewechselt war und in Karlsruhe kandidiert hatte. Die Verfassunggebende Landesversammlung nahm am 24. Oktober 1946 den Verfassungsentwurf an, über den die Bürger im Rahmen der Wahl zum ersten Landtag von Württemberg-Baden am 24. November 1946 abstimmen sollten und es auch taten: mit klarer Zustimmung.

In den ersten Landtag von Württemberg-Baden wurden über die Wahlkreise und Landeslisten 100 Abgeordnete gewählt. Bei einer Wahlbeteiligung von 71,7 Prozent entfielen auf die CDU 38,4 % Stimmenanteil, auf die SPD 31,9 %, die DVP 19,5 % und die KPD 10,3 Prozent. Ministerpräsident Reinhold Maier (DVP) bildete eine Allparteienkoalition. Das Mandat im Wahlkreis Mannheim-Land II errang Wilhelm Brück (CDU).

Die Beteiligung an der zweiten Landtagswahl am 19. November 1950 sank auf 57,2 Prozent. CDU und KPD mussten schwere Verluste hinnehmen, die KPD scheiterte sogar an der Fünf-Prozent-Hürde. Wilhelm Brück – inzwischen Oberbürgermeister, weil Weinheims Einwohnerzahl die 20.000 überschritten hatte – verlor sein Landtagsmandat. Nach dieser zweiten Niederlage – Brück hatte 1948 die Weinheimer OB-Wahl gegen Rolf Engelbrecht verloren – zog sich Brück aus dem politischen Leben zurück, kehrte von 1953 bis 1959 aber als CDU-Stadtrat noch einmal auf die kommunalpolitische Bühne zurück.

Südweststaat entsteht

Portraitfoto Wilhelm Brück (1892-1972)
Wilhelm Brück (1892-1972)

Am 17. Mai 1952 wurde der Landtag von Württemberg-Baden aufgelöst, nachdem sich am 9. Dezember 1951 die Bevölkerung von Württemberg-Baden, Württemberg-Hohenzollern und Baden mehrheitlich für den neuen Südweststaat Baden-Württemberg entschieden hatte.

Bohrmann und Rieple

Die erste von inzwischen 16 Landtagswahlen in Baden-Württemberg fand am 9. März 1952 als Wahl zur Verfassunggebenden Landesversammlung statt. Der Nordbezirk des Landkreises Mannheim entschied sich für den Weinheimer Bürgermeister Ludwig Bohrmann (SPD) im Wettstreit mit dem CDU-Stadtrat und späteren Bundestagsabgeordneten Dr. Helmut Artzinger. Nur wenig Zeit blieb Bohrmann zur Mitwirkung am Aufbau eines neuen Staates im Südwesten. Er starb am 8. Mai 1952. Die Nachwahl am 22. Juni 1952 gewann der Ladenburger Studienrat Willi Rieple gegen Dr. Artzinger. Mit knappem Vorsprung verteidigte Rieple 1956 sein Direktmandat gegen den jungen CDU-Regierungsrat Helwerth und auch 1960 war Rieple erfolgreich, diesmal gegen den Weinheimer Stadtpfarrer Dr. Friedrich Gruenagel (CDU).

Die Ära Daffinger

Zur Halbzeit der 3. Wahlperiode legte Willi Rieple aus gesundheitlichen Gründen sein Landtagsmandat nieder. Für ihn rückte Zweitkandidat Wolfgang Daffinger in den baden-württembergischen Landtag nach, dem er bis zu seinem Ausscheiden 1996 insgesamt 34 Jahre lang angehörte – so lange wie bis dahin kein anderer Landespolitiker. Erst 2011 überbot der CDU-Abgeordnete Gundolf Fleischer den Daffinger-Rekord um ein Jahr.

Dreimal in Folge holte Daffinger das Direktmandat für die SPD: 1964 klar gegen Dr. Gruenagel, 1968 mit nur 74 Stimmen Vorsprung gegen Gewerbeschulrat Josef Barth (CDU), 1972 im Kopf-an-Kopf-Rennen und mit 116 Stimmen Vorsprung gegen Regierungsdirektor Dr. Gerhart Scheuer (CDU).

Im neu geordneten Wahlkreis Mannheim-Land II, der fortan Wahlkreis Weinheim hieß, beendete Dr. Scheuer die Siegesserie der SPD. Von 1976 bis 1984 holte er dreimal das Direktmandat für die CDU, jeweils im politischen Wettbewerb mit Wolfgang Daffinger, der nun über die Zweitauszählung sein Landtagsmandat erneuerte.

Wolfgang Daffinger
Wolfgang Daffinger

Weinheim gut vertreten

Der Wahlkreis Weinheim wurde von 1972 bis 1988 von zwei Abgeordneten im Landtag vertreten (Dr. Scheuer/Daffinger), in der 10. Wahlperiode 1988-1992 wurden es gar vier, denn neben dem direkt gewählten Scheuer-Nachfolger Hans Lorenz, dem späteren Dossenheimer Bürgermeister, zogen Wolfgang Daffinger (SPD), Jürgen Rochlitz (Grüne) und Bernhard Scharf (FDP/DVP) ins Landesparlament ein. 1992 hieß das Weinheimer Abgeordneten-Trio Lorenz, Daffinger und Scharf und auch die 12. Landtagswahl bescherte Weinheim drei Abgeordnete: als Lorenz-Nachfolger auch im Direktmandat Georg Wacker (CDU), aber nicht mehr Wolfgang Daffinger, sondern Hans-Georg Junginger (SPD) und außerdem Dr. Hans Freudenberg (FDP), der allerdings 1998 nach seiner Berufung zum Amtschef der baden-württembergischen Landesvertretung in Bonn sein Mandat niederlegte und von Lieselotte Schweikert beerbt wurde.

Hans-Georg Junginger, SPD-Fraktionsvorsitzender im Weinheimer Gemeinderat, trat noch zweimal gegen Georg Wacker an, den späteren Staatssekretär im Stuttgarter Ministerium für Kultus, Jugend und Sport, und erneuerte sein Mandat jeweils über die Zweitauszählung. Dem Abgeordneten-Duo Wacker/Junginger folgte 2006 wieder ein Weinheimer Quartett in Stuttgart mit Georg Wacker, Hans-Georg Junginger, Uli Sckerl (Grüne) und Birgit Arnold (FDP). Nach Jungingers Mandatsverzicht 2009 rückte der Ladenburger Studiendirektor Gerhard Kleinböck in der SPD-Landtagsfraktion nach.

Erstes grünes Direktmandat

Drei Weinheimer Abgeordnete waren’s nach der Wahl 2011 mit Georg Wacker, Uli Sckerl und Gerhard Kleinböck, drei sind’s auch im Moment mit dem Wahlsieger von 2016, dem Weinheimer Grünen-Stadtrat und parlamentarischen Geschäftsführer der Grünen-Fraktion im Landtag, Hans-Ulrich Sckerl, der Dossenheimer Galeristin Julia Philippi (CDU), die nach Georg Wackers Mandatsverzicht 2018 nachgerückt war, und Gerhard Kleinböck (SPD).

(2021, © www.wnoz.de)

 

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