Das Werder-Denkmal

Erinnerung im Schatten der Friedenseiche

Das ursprüngliche Werder-Denkmal von 1872
Das ursprüngliche Werder-Denkmal von 1872.

von Heinz Keller

Zwischen 1871 und 1918 war der Sedanstag am 2. September „der herrlichste, glorreichste Tag der deutschen Geschichte“, wie es der „Weinheimer Anzeiger“ am 2. September 1911 formulierte. 41 Jahre zuvor hatte eine französische Armee unter Marschall Mac-Mahon, bei der sich Kaiser Napoleon III. befand, vor den deutschen Armeen des preußischen Kronprinzen Friedrich Wilhelm und des sächsischen Kronprinzen Albert kapituliert. Die Schlacht von Sedan, am 1. September 1870 bei dem Versuch der Franzosen entbrannt, Metz zu entsetzen, und am 2. September mit der Gefangenschaft für Kaiser und Armee beendet, entschied den Deutsch-Französischen Krieg und brachte den Deutschen die lang ersehnte staatliche Einheit.

Noch ehe allerdings Preußenkönig Wilhelm am 18. Januar 1871 im Spiegelsaal von Versailles von den deutschen Fürsten zum ersten Kaiser proklamiert werden und Badens Großherzog Friedrich I. das erste Kaiserhoch auf seinen Schwiegervater ausbringen konnte, mussten junge Weinheimer ihr Leben lassen.

Winteraufnahme der Werder-Anlage
Eine Winteraufnahme von der Werder-Anlage mit der Steinernen Weschnitzbrücke (links) und den Häusern an der Werderstraße. Bild: Stadtarchiv Weinheim.

Daran erinnert das Werder-Denkmal in der Anlage bei der Alten Post. „Die dankbare Stadt Weinheim“ hat es 1872 „dem tapferen General von Werder und den siegreichen Truppen“ gewidmet. Mit der Schlacht von Sedan war für sie der Krieg noch nicht zu Ende gewesen. Badische Truppen drängten damals in vier Marschkolonnen über die Vogesen und durch die Burgundische Pforte nach Süden auf Wegen, die die heutige Generation auf der Fahrt in Weinheims südfranzösische Partnerstadt Cavaillon nimmt.

Zum Jahresende 1870 stoppten starke französische Verbände südlich von Dijon die Badener und zwangen sie zum Rückmarsch. General August von Werder sammelte das 14. Armeekorps an der Lisaine, um den weiteren Vorstoß der Franzosen nach Süddeutschland zu verhindern. In grimmiger Kälte widerstanden die badischen Truppen der dreifach überlegenen französischen Ostarmee unter General Charles Bourbaki, verhinderten den Entsatz von Belfort und harrten aus, bis General Edwin von Manteuffel mit seinen Truppen heran war.

4. September 1911: Enthüllung des umgestalteten Werder-Denkmals.
4. September 1911: Zur Enthüllung des umgestalteten Werder-Denkmals spricht Fabrikant Heinrich Kleh. Die Fahnen der drei Militärvereine sind um die Friedenseiche gruppiert.

Die Tage vom 15. bis 17. Januar 1871 wurden in der historischen Bewertung zu „Ehrentagen der badischen Truppen“ und der spätere Kaiser Wilhelm I. sandte an General von Werder am 22. Januar 1871 ein Handschreiben: „Ihre heldenmütige dreitägige Verteidigung Ihrer Position, eine belagerte Festung im Rücken, ist eine der größten Waffentaten aller Zeiten. Ich spreche Ihnen für Ihre Führung, für Ihre Hingebung und Ausdauer meinen königlichen Dank, meine höchste Anerkennung aus und verleihe Ihnen das Großkreuz des Roten Adlerordens mit Eichenlaub und Schwertern als Beweis dieser Anerkennung. Ihr dankbarer König Wilhelm“. Der Rote Adlerorden war, nach dem Schwarzen Adlerorden, die zweithöchste Auszeichnung in Preußen.

Noch 1871 gab der Weinheimer Kürschner Ernst Adam Fitzer die Anregung, in Weinheim ein Denkmal für General von Werder und seine Truppen zu errichten. In der Bürgerschaft wurde dafür gesammelt und 1872 wurde das Denkmal eingeweiht. Der Granitfindling wurde von dem Darmstädter Bildhauer Friedrich Schleich gestaltet und Ludwig Lang, der Gastwirt im „Schwarzen Adler“ an der Petersbrücke, transportierte den schweren Stein unentgeltlich auf einem bekränzten Pferdewagen von Auerbach nach Weinheim.

Die Allee mit zwei Baumreihen zwischen Werderstraße (links) und Weschnitz.
Eine Bilderinnerung an die Allee, die mit zwei Baumreihen einst zwischen Werderstraße (links) und Weschnitz die Weinheimer erfreute. Bild: Stadtarchiv Weinheim.

In den Folgejahren ist der Stein offensichtlich in Vergessenheit geraten. Im Schatten der mit großen Hoffnungen für das deutsche Volk gepflanzten Friedenseiche – sie ist inzwischen zu einem mächtigen Baumdenkmal herangewachsen – hatte Strauchwerk den Stein überzogen, Wurzelwerk und Erde überdeckten die Reste des steinernen Wasserbeckens und der Wasserzuführung.

1911 nahm sich der Gemeinnützige Verein der Weinheimer Anlagen an, errichtete an der Werderstraße ein Denkmal für seinen verdienstvollen Vorsitzenden Adam Platz und gestaltete das vergessene Werder-Denkmal zu einem gefälligen Abschluss der von den Weschnitz-Zwillingsbrücken bis vor die Alte Post heranführenden Werderanlage. Der Gedenkstein wurde angehoben und von zwei ruhenden, wasserspeienden Löwen gerahmt. Über allem wurde eine weiße Pergola errichtet. Den Gesamtentwurf schuf Weinheims Gartenbaudirektor Petersen, die Löwen modellierte Professor Scheich und der Weinheimer Bildhauer Spangenberger schuf sie aus Heilbronner Sandstein. Die Pergola stammte aus der Werkstatt von Zimmermeister Jäger und die Bänke auf beiden Seiten wurden bei Bauer & Walter gefertigt.

Die Friedenseiche an der Steinernen Brücke, 1872 gepflanzt.
Die Friedenseiche an der Steinernen Brücke, 1872 gepflanzt, ist zu einem gewaltigen Naturdenkmal herangewachsen.

Die Enthüllung des umgestalteten Werder-Denkmals fand am 4. September 1911 statt und ersetzte in diesem Jahr die Feier zum Sedanstag. „Wir rufen das patriotische Herz von Weinheim an: Zur morgigen Werder-Gedenkfeier heraus mit den Flaggen!“, mahnte der „Weinheimer Anzeiger“ in Fettdruck und berichtete dann tagelang über die Veranstaltung, die mit einem Festzug der drei Weinheimer Militärvereine vom Marktplatz zur Alten Post eingestimmt wurde. Schwarzer Rock und Zylinder waren vorgeschrieben, Orden, Ehrenzeichen und Verbandszeichen sollten angelegt werden.

Unmittelbar am Denkmal waren die Fahnen der Kriegervereine postiert und die vereinigten Weinheimer Kapellen umrahmten die Feierstunde. Karl Zinkgräf, der Vorsitzende des Gemeinnützigen Vereins, sprach die Grußworte und übergab die Gedenkstätte in die Obhut der Stadt Weinheim. Für sie würdigte Bürgermeister Heinrich Ehret die Initiative des Gemeinnützigen Vereins. Fabrikant Heinrich Kleeh, Vorsitzender des Kriegervereins Weinheim, erinnerte in der Festrede die versammelten Veteranen des 1870-er Krieges an die Schlachten von Weißenburg, Wörth, Metz, Verdun und auf den Spicherer Höhen, an den Fall von Straßburg und „an die glänzenden Tage badischer Waffen“, die den Anlass für dieses Denkmal gaben.

Weinheims älteste Schmuckanlage geriet auch nach dem Zweiten Weltkrieg in Vergessenheit, die Löwen verschwanden unter Strauchwerk und die Friedenseiche wurde von den Planungen für einen innerstädtischen Ausbau der B 38 ernsthaft bedroht. Heute ist das Werder-Denkmal wieder erkennbar und der Saukopftunnel hat eine Straßenbrücke von der Viernheimer Straße über Bahn und B 3 ins Birkenauer Tal überflüssig gemacht.

August Graf von Werder
August Graf von Werder.

August von Werder (1808-1887) war ein preußischer General der Infanterie. Im Krieg gegen Österreich kommandierte er eine Division bei Königgrätz, im Krieg gegen Frankreich hatte er zunächst den Oberbefehl über das Belagerungskorps vor Straßburg. Nach der Kapitulation der Stadt übernahm er das Kommando über das neu gebildete XIV. Armee-Korps, das die badischen Truppenteile  zusammenfasste. Die Schlacht an der Lisaine brachte von Werder vor allem in Süddeutschland große Popularität. In Freiburg entstand ein Siegesdenkmal, in Weinheim das Werder-Denkmal. Zahlreiche badische Städte, darunter Weinheim, benannten Straßen nach dem General, der nach Friedensschluss des Deutsch-Französischen Krieges mit dem Großkreuz des Eisernen Kreuzes ausgezeichnet wurde und eine Dotation von 20.000 Talern (etwa 30.000 Euro) erhielt. Beim Abschied aus dem Militärdienst wurde August von Werder in den Grafenstand erhoben.