Für kurze Zeit: zwei Zeppelinbrücken nebeneinander
von Heinz Keller
Alle Beiträge in diesem Zeitungsarchiv sind erstmals in den Weinheimer Nachrichten erschienen. Die Veröffentlichung auf der Internetseite des Weinheimer Museums erfolgt mit der Zustimmung der DiesbachMedien GmbH.
Man braucht schon einiges an Vorstellungskraft, wenn man sich mit der Geschichte der Zeppelinbrücke beschäftigt, besonders dann, wenn man feststellt, dass 1968 sogar zwei Zeppelinbrücken nebeneinander standen. Da ist es schon hilfreich, dass Friedrich Kopetzky, der unvergessene WN-Fotograf, diese Situation für alle Zeiten im Bild festgehalten hat. Denn nur für kurze Zeit standen die beiden Brückenbauwerke nebeneinander: die schmale, 1911 errichtete Bahnüberführung mit den hohen Betonseitenwänden und der gerade einmal für zwei sich begegnende Fahrzeuge ausreichenden Fahrbahn, und eine neue, zeitgerechte Überführung der Gleise der Main-Neckar-Bahn, des Güterbahnhofs und der Wormser Bahn mit 19,60 Metern Gesamtbreite für drei Fahrspuren und kombinierte Rad- und Gehwege, wie wir sie heute kennen.
Knapp 17.000 Fahrzeuge rollen heute täglich über die 72 Meter lange Zeppelinbrücke und unterstreichen die Bedeutung des Bauwerkes für den Verkehrsfluss am Südausgang der Kernstadt. Die Brücke entstand vor 50 Jahren zusammen mit dem Neubau der Westtangente, die damals noch Berliner Straße hieß, und dem Ausbau von Händelknoten und Rosenbrunnenknoten, die die Westtangente verbindet. Noch ahnte niemand, dass die neue Zeppelinbrücke eine wesentliche Voraussetzung für die westliche Verkehrsanbindung der auf dem einstigen Güterbahnhofgelände entstehenden Fachmärkte werden würde.
Der Technische Ausschuss des Gemeinderats diskutierte 1968 die Möglichkeit, die alte Zeppelinbrücke als Radfahrer- und Fußgängerverbindung zwischen der Südstadt und dem gerade entstehenden Neubaugebiet Mult mit der im Bau befindlichen Multschule, der heutigen Dietrich-Bonhoeffer-Schule, zu nutzen.
Beispiel moderner Technik
Aus ästhetischen Gründen aber entschied sich der Ausschuss für den Abbruch der 57 Jahre alten Brücke, die in der Zeit ihrer Erbauung einer der interessantesten Verkehrsbauten im Großherzogtum Baden war. „Als Beispiel moderner Technik entsteht in der Nähe des Rosenbrunnens eine Wegüberführung in Eisenbeton, die mit der Nutzung des Dammes der jetzigen Nebenbahn nach Mannheim als Ersatz für den unter der Bahn durchführenden Weg zum Stahlbad dienen soll“, berichtete der „Weinheimer Anzeiger“ am 23. Oktober 1911. Das war allerdings nur eine Randnotiz in einem größeren Bericht über den Bau eines neuen Güterbahnhofs und der „Überführungsbrücke nach Mannheim“, der heutigen OEG-Brücke. Doch die Randnotiz verlangt einige Erläuterungen.
Die erste OEG-Brücke
Bis 1911/12 gab es in der Verlängerung der unteren Bahnhofstraße nach Westen zur heutigen Viernheimer Straße – im Bereich des jetzigen Busbahnhofs – einen schienengleichen Bahnübergang für alles, was in Richtung Mannheim rollte: „Man denke“, berichtete der Weinheimer Anzeiger damals stolz, „dass an dieser Stelle bis zu 200 Fahrzeuge täglich passieren“. Mit zunehmender Zugfolge auf der Reichsbahnstrecke Frankfurt-Heidelberg wurde der schienengleiche Übergang für den Ost-West-Verkehr vom Odenwald nach Mannheim und für die Weinheimer Landwirte, deren Höfe im Stadtgebiet und die Felder vor der Stadt lagen, aber auch für die Main-Neckar-Bahn selbst zum Problem: die Schranken waren fast ständig geschlossen.
Das Problem wurde gelöst mit dem Bau der ersten OEG-Brücke, die mit ihren charakteristischen Stahlbogenträgern noch in guter Erinnerung ist, 1957 aber dem rasant wachsenden Verkehr nicht mehr gerecht werden konnte und von einem Neubau ersetzt wurde.
Stahlbad-Prankel-Verbindung
Am Rosenbrunnen, dem südlichen Stadtausgang, stellte sich kurz nach der Wende zum 20. Jahrhundert ein ähnliches Problem, denn die Verbindung zwischen Prankel und Stahlbad war ebenfalls ein häufig geschlossener schienengleicher Übergang. Viernheimer Pfad hieß der Weg nach Westen seit 1897, als die Straßen in Weinheim Namen erhalten hatten, später Multweg. Am Jahresende 1933 gab der Gemeinderat dem Weg den Namen des Luftschiff-Pioniers Ferdinand Graf von Zeppelin und wertete die Anbindung des Stahlbads an die südliche Bergstraße 1937 mit der Umbenennung in Zeppelinstraße auf.
Die Frage „Was hat Graf Zeppelin mit dem Stahlbad zu tun?“ kann heute nicht mehr beantwortet werden, weil die Ratsakten keine Begründung für die Umbenennung des Straßennamens enthalten. Es könnte allerdings spekuliert werden, dass die Entscheidungen des Gemeinderats 1933 von der weltweiten Popularität der deutschen Luftschiffe beeinflusst wurde, die auch von der NS-Propaganda geschickt genutzt wurde.
Zu diesem Zeitpunkt war die 53 Meter lange Brücke über die Main-Neckar-Bahn bereits 22 Jahre in Betrieb. Vielleicht hat ihr der Volksmund damals den Namen Zeppelinbrücke gegeben, beweisen lässt sich das aber nicht. In einer städtischen Akte „Bau einer Straße von der Höhnerbrücke zur Zeppelinbrücke, 1924-1933“ wird der Name Zeppelinbrücke allerdings schon 1924 verwendet.
Haltestelle Stahlbad
Auch die Erinnerung an die neben Viernheimer Pfad, Multweg, Zeppelinweg und Zeppelinstraße verlaufende Trasse der Nebenbahn Mannheim-Weinheim ist längst verblasst. 1887 war die eingleisige Dampfbahn als erste Schmalspurbahn Badens eröffnet worden. Sie verband Mannheim und Weinheim, fuhr auf einer Trasse, die etwa der heutigen Breslauer Straße folgte, brachte dem Stahlbad den sehnlichst erwarteten Bahnanschluss und bog am Rosenbrunnen nach Norden zum heutigen Hauptbahnhof ab. Diese Nebenbahn war die Vorgängerin der heutigen OEG, deren Trasse nach dem Bau der ersten OEG-Brücke 1912 auf die Mannheimer Straße verlegt wurde.
Die neue Brücke am Rosenbrunnen, die später Zeppelinbrücke genannt wurde, ist 1911 von dem Mannheimer Bauunternehmen Grün & Bilfinger gebaut worden und kostete 38.000 Goldmark. Das gleiche Unternehmen besorgte 1968 übrigens ihren Abriss für 160.000 DM. Zu den Erinnerungen an die alte Zeppelinbrücke gehört, dass der Beton für das Brückenbauwerk damals von Hand gestampft und mit dem Schubkarren herangekarrt wurde. Fast 60 Jahre später, beim Abbruch, war der Beton noch in bestem Zustand und es bedurfte eines 135-Tonnen-Spezialkrans, um die 18 Meter langen Seitenöffnungen und die 23 Meter lange Mittelöffnung der alten Brücke auf Spezialtransporter zu verladen und zu entsorgen.
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