Geschichte des Museums
Gulch, Clev und Perg
Eine Betrachtung über das Wappen am Museum in Weinheim
aus: Der Rodensteiner 1/1980 von Hans Peter Herpel
„VON GOTTES GNADEN FRANZ LUDWIG PFALZGRAF BEY RHEIN, ZU GULCH,
CLEV UND PERG HERZOG, DER ZEIT HOCH UND TEUTSCHMEISTER NEY ERBAUET 1710”
Diese Inschrift steht nebem dem wohl aufwendigsten Wappen über dem Eingang des Heimatmuseums in der Amtsgasse. Sie besagt, daß der Hoch- und Deutschmeister des Deutschen Ordens Franz Ludwig, aus dem Geschlecht der Pfalzgrafen, 1710 dieses Deutschordenshaus erbaut hat, das heute als Museum dient. Sie weist außerdem darauf hin, daß die Pfalzgrafen auch Herzöge von Jülich, Kleve und Berg waren, bzw. einen Erbanspruch darauf erhoben.
Das Wappen selbst sagt aber noch viel mehr über die Person des Pfalzgrafen aus. Es ist zwar schon des öfteren eingehend beschrieben worden, trotzdem wirkt es auf den Beschauer wegen der verwirrenden Anhäufung von Einzelteilen unverständlich und ohne Aussage. Die großen Herren nahmen seit dem Ende des 16. Jahrhunderts in ihre Wappen derart viele Felder auf, daß eine sinnvolle Beschreibung äußerst schwierig wird. Es sei daher angebracht dieses Wappen einmal systematisch zu zergliedern,um es verständlich zu machen. Wir müssen davon ausgehen, daß wir es im vorliegenden Fall mit drei aufeinanderliegenden Wapen zu tun haben, die das jeweils darunterliegende teilweise verdecken. Das unterste und daher größte Wappen zeigt die weltlichen Besitzungen des Wappenträgers. Es ist im Prinzip gevierteilt. Da die zur Darstellung kommenden Länder aber so zahlreich sind, mußten die jeweiligen Viertel ein- oder mehrfach gespalten werden, um alle aufnehmen zu können. Diese Teilwappen sind dadurch nahezu kreisförmig entlang des Schildbordes angeordnet. Überdeckt wird dieses Schild von einem kleinerem, der ebenfalls geviert ist und die kirchlichen Würden zum Ausdruck bringt.
Als oberster Schild liegt dann das schwarze, mit vier goldenen Szeptern belegte Tazenkreuz des Deutschordens-Hochmeisters, in dessen Mitte sich der Reichsadler befindet, der die Reichsunmittelbarkeit des Ordens versinnbildlicht. Der schwarze Adler in Gold ist ja nicht nur das Wappentier des alten Kaiserreichs gewesen, vielmehr war es auch manchen Reichsstädten vom Kaiser verliehen worden; in unserer näheren Umgebung z.B. den Städten Neckargemünd, Sinsheim und Mosbach. Nun war das Haus Wittelsbach eine der mächstigsten Dynastien jener Zeit. Sie waren nicht nur Herzöge in Bayern und Pfalzgrafen bei Rhein, sie besaßen außerdem das Herzogtum Zweibrücken, die Oberpfalz, Neuburg an der Donau, mehrer Herzogtümer und Grafschaften am Niederrhein und später weitere Gebiete in den Niederlanden. Dazu kommt noch, daß sie zeitweilig die Erzbistümer Trier, Mainz und vor allem Köln innehatten und schon dadruch eine außerordentliche politische Macht ausüben konnten. Daß diese aber totzdem nicht zum Tragen kam, lag daran, daß die einzelnen Linien unerbittlich zerstritten waren. Es sei nur an den Dreißigjährigen Krieg erinnert, in dem auf der einen Seite Herzog Maximilian von Bayern als Führer der katholischen Liga gegen Friedrich von der Pfalz als Führer der protestantischen Union gestanden hat. Aber zurück zu unserem Weinheimer Wappen.
Beginnen wir mit dem zu unterst liegenden größten Schild mit den weltlichen Besitzungen. Das vom Beschauer aus gesehen linke obere Viertel dieses Wappens ist zweimal senkrecht gespalten und zeigt von links nach rechts 1. die allseits bekannten weiß-blauen bayrischen Wecken, die Hausfarbe der Wittelsbacher, die auch im Weinheimer Stadtwappen enthalten sind, 2. daneben steht in Schwarz der rotgekrönte Pfälzer Löwe, und 3. in Gold ein schwarzer Löwe, das Wappentier des Herzogtums Jülich.
Um nicht noch mehr Verwirrung in das ohnehin komplizierte Wappen zu bringen, möge man verzeihen, daß recht und links vom Beschauer aus gesehen bezeichnet wird und nicht umgekehrt, wie es die heraldischen Regeln vorschreiben. Im oberen rechten Viertel, das einmal gespalten ist, steht 4. in Rot eine goldene Lilienhaspel, in der Mitte mit einem silbernen Schildchen beleg, für das Herzogtum Kleve, daneben in Silber nochmals ein Löwe, blau gekrönt, von roter Farbe. Es steht für das Herzogtum Berg mit der Hauptstadt Düsseldorf.
Gehen wir weiter ins linke untere Viertel. Auch dieses ist einmal gespaltet und zeigt links 6. schon wieder einen Löwen, dieses Mal in Silber das blaue Wappentier der Grafen von Veldenz, deren Gebiet durch Erbschaft an die Herzöge von Pfalz-Zweibrücken gefallen ist, und die den blauen Löwen in ihr eigenes Wappen aufgenommen haben, daneben 7. in Gold einen rot-silber geschachteten Balken, der sich auf die Grafschaft Mark am Niederrhein bezieht. Auch das rechte untere Viertel ist nochmals gespalten und enthält der Mitte zu 8. in Silber drei rote dachförmig angeordnete Balken (Sparren) als Wappen der niederrheinischen Grafschaft Ravensberg und als letztes rechts außen 9. in Gold den schwarzen Querbalken der einstigen Grafschaft Moers.
Wie bereits erwähnt, liegt auf dem beschriebenen großen Schild mit den weltlichen Besitzungen ein kleinerer Schild, der die geistlichen Würden beinhaltet. Im Falle des Weinheimer Wappens ist er viereckig dargestellt und ebenfalls geviert. Der linke obere Teil zeigt 10. im schwarzen mit silbernen Schrägschindeln bestreuten Feld einen schrägliegenden silbernen Schlüssel und gibt zu erkennen, daß Franz Ludwig auch Bischof von Worms gewesen ist (seit 1694), 11. rechts davon erkennt man in Silber eine goldene Mitra, das Wappensymbol der Propstei Ellwangen, da der Pfalzgraf zur gleichen Zeit dort auch Propst geworden ist, 12. im linken unteren Viertel des geistlichen Wappens in Gold ein schwarzer Adler, den er als kaiserlicher Statthalter von Ober- und Niederschlesien zu führen berechtigt war (1685). Dieses Amt führte er als Bischof von Breslau aus, worauf das Wappen rechts daneben hinweist, 13. in Rot sechs silberne Lilien. Es handelt sich dabei um ein schlesisches Gebiet, um das Fürstentum Grottkau-Neiße, dessen Wappen seit dem 13. Jahrhundert die Breslauer Bischöfe als Herren dieses Landes geführt haben. Weitere geistliche Würden kamen erst später dazu. Im Jahr 1716 wurde Franz Ludwig Erzbischof und Kurfürst von Trier und 1729 Erzbischof und Kurfürst von Mainz. Diese Schilde in Silber ein rotes Kreuz für Trier und in Rot ein silbernes Rad für Mainz, ergänzen das Wappen nach der Erbauung des Weinheimer Deutschordenshauses.Wer war nun dieser vielseitige Mann ? Als jüngerer Bruder des in der Pfalz recht ungeliebten Kurfürsten Johann Wilhelm von Pfalz-Neuburg (dagegen in seine niederrheinischen Provinzen als Jan Willem hochgeachtet) wurde Franz Ludwig 1664 geboren und für den geistlichen Stand bestimmt. Nach einer außerordentlich erfolgreichen Laufbahn, die anhand seines Wappens zu verfolgen war, ist er schließlich in Schlesien am 18.4.1732 verstorben und wurde im Dom zu Breslau beigesetzt.
Der Betrachter des Wappens mag sich mit Recht fragen, was es nun mit den Symbolen der niederrheinischen Herzogtümer und Grafschaften auf sich hat, zumal einige davon nie im Besitz des Hauses Wittelsbach gewesen sind. Als der letzte Herzog von Jüllich, der die genannten Gebiete in seiner Hand vereinigt hatte, 1609 kinderlos verstorben war, ging das Erbe über seine Schwester an Johann Sigismund, Markgraf von Brandenburg und Philipp Ludwig von Pfalz-Neuburg, aus der Nebenlinie der Herzöge von Zweibrücken. Brandenburg erhielt dabei das Herzogtum Kleve und die Grafschaft Mark und Ravensburg, während die Pfälzer die Herzogtümer Jülich und Berg mit der Residenz in Düsseldorf erbten. Aus diesem Teilungsvertrag (Xanten 1614) ergaben sich jedoch langwierige Streitigkeiten, da beide Fürsten das gesamte Erbe für sich beanspruchten. Das kurpfälzische Wappen zur Zeit unseres Ordensmeisters Franz Ludwig mit den Feldern Kleve, Mark und Ravensburg mußte für den preußischen König eine dauernde Herausforderung bedeuten. Erinnern wir uns an den Geschichtsunterricht. Noch der preußische Soldatenkönig Friedrich Wilhelm (und Vater Friedrichs des Großen) stellte seine gesamte Politik auf die Erwerbung der pfälzischen Gebiete Jülich und Berg ein. Auch seine 1730 durchgeführte Reise nach Mannheim zum Kurfürsten Carl Philipp, bei der der junge Kronprinz in Steinsfurt im Kraichgau einen Fluchtversuch aus der strengen Zucht seines Vaters unternahm, hatte ebenfalls den Zweck, den hochbetagten, kinderlosen Pfälzer zu bewegen, die preußische Anwartschaft auf die Rheinprovinzen anzuerkennnen. So gesehen, mag das Wappen über dem Eingang zum Heimatmuseum nicht mehr als verwirrendes Sammelsurium erschienen, sondern einerseits als bunter Lebenslauf eines vorbildlichen Kirchenfürsten und andererseits als Ausdruck politischen Machtstrebens deutscher Fürsten gelten, in der Zeit, bevor Napoleon die umstrittenen Gebiete seinem französischen Kaiserreich einverleibt.